Lissabon

Vom lauffreudigen Kind in der hügeligen Stadt

Portugal also diesmal. Wir haben unsere Sachen natürlich nicht in zwei Koffer bekommen, wie wir das ursprünglich mal angedacht hatten, um auch die Kraxe mitnehmen zu können. Nun also keine Kraxe, sondern noch einen zusätzlichen großen Rucksack – muss das Kind eben laufen. Mit Sack und PSpannender Flughafenack und Kindersitz für Jonathan (Mietkindersitze sind teuer und ich traue deren Qualität nicht) ging es Blick vom Balkon der Ferienwohnungalso auf zum Flughafen, der sich diesmal extrem kinderfreundlich zeigte. Es gab einen Familien-mit-Kleinkinder-Check-In, einen Familienzugang bei der Gepäckkontrolle, einen Spielplatz direkt neben dem Gate und auch in der Schlange vorm Flugzeug wurden wir sofort durchgewunken. Jonathan fand alles superspannend und saß im Flugzeug erstmal knapp eineinhalb Stunden regungslos auf seinem Platz. Zwischendurch gab es sogar warmes Essen, was er brav verputzt hat. Grade als wir uns dachten, dass das ja tiefenentspannt ist heute, hat er seine Scheu vorm Flugzeug verloren und richtig aufgedreht. Da wurde dann gesungen und auf den Sitzen herumgehüpft, bis zum Glück relativ bald die Anschnallzeichen wieder angingen und sich das durchdrehende Kind wieder hinsetzen musste. In Lissabon angekommen, gab es dann eine lange Taxischlange, aber auch da wiederum ein extra Schlange für alte Leute, Schwangere, körperlich Eingeschränkte und eben Familien mit kleinen Kindern. Das war also prima, weil wir sehr bald ein Taxi hatten und dann nur knapp 20 Minuten später in unserer AirBnB-Wohnung im Viertel Mouraria waren. In der sind alle Zimmer winzig klein, aber immerhin gibt es ein eigenes für Jonathan und außerdem einen Balkon mit schönem Blick über Lissabon. Im Winter ist es da vermutlich schweinekalt, weil es keine richtige Heizung gibt, aber jetzt war es okay.

Nachdem wir uns ein bisschen akklimatisiert hatten, haben wir uns noch das Viertel angesehen. Der Reiseführer bezeichnet Mouraria Der Rossio von obenals „den aktuell vielleicht spannendsten Stadtteil“, wir fanden ihn zunächst vor allem ein wenig heruntergekommen. Ich glaube, es sind vor allem Kultur und Nachtleben, die hier interessant wären, aber davon haben wir ja nicht so viel. Ich würde es vielleicht ein bisschen mit Neukölln vergleichen. Schon auch spannend Wellen am Rossiound prima Feiermöglichkeiten, aber schön ist dann halt vielleicht doch auch anders. Und das Kind schließt ja Freundschaften mit allem und jedem, besonders gern auch mit Junkies und Herumlungernden am nahen Platz Martim Moniz. Vielleicht lag der etwas abgewrackte Eindruck aber auch am recht bedeckten Himmel, denn das Wetter ist unverschämterweise in Portugal kühler (so knapp 20 Grad hatte es) und bedeckter als grade in Deutschland. Wir sind dann noch ein wenig herumgelaufen, Jonathan musste Energie abbauen. Sehr gut gefallen hat uns die Rossio genannte Praça Dom Pedro IV, auf der es ein tolles Pflastermosaik in Wellenform und wunderschöne lila Bäume gibt. Danach haben wir noch Skatern auf der Praça da Figueira zugeschaut und sind dann zurück in unserer Ferienwohnung recht müde in unsere Betten gefallen.

Tram 28Am nächsten Tag hat Jonathan brav bis 8 Uhr geschlafen, was aber nach hiesiger Zeit leider nur 7 Uhr war. Wir waren aber alle einigermaßen ausgeschlafen und ich durfte noch ein bisschen liegenbleiben, während Martin und Jonathan meinen Geburtstagstisch hergerichtet haben. Dann wurde ich besungen und wir haben Kuchen gefrühstückt. Und weil wir so früh dran waren, haben wir beschlossen, gleich mit der Tram 28 zu fahren, die quer durch die historischen Viertel Lissabons tuckert und sich dabei bergauf und bergab quietschend ihren Weg bahnt und alle Autos aus dem Weg bimmelt. Die Cemitério dos PrazeresTram ist die Tourismusattraktion Nummer 1 und wir hatten am Vorabend schon die bestimmt 150 Meter lange Schlange vor der Abfahrtsstation nahe des Largo Martim Moniz und die mehr als vollgestopften Bahnen gesehen. Um halb 9 Uhr morgens war allerdings überhaupt nichts los und wir könnten fröhlich und mit Sitzplatz durch Lissabon zuckeln. Jonathan fand es sehr spannend, aber auch ein wenig aufregend und wollte auf keinen Fall am offenen Fenster sitzen. Am Zielort angekommen, sind wir ein wenig durch den Friedhof Cemitério dos Prazeres gelaufen. Da gibt es ganz viele oberirdische Grüfte (ja, das ist die Mehrzahl von Gruft, ich habe extra nochmal nachgeschaut) und alle 5 Minuten donnert ein Flugzeug drüber. Jonathan war das erst etwas unheimlich, dann hat er aber entdeckt, dass man zwischen den Gräbern ganz toll verstecken spielen kann (die Durchgänge waren oft so schmal, dass er durch kam, wir aber nicht – ein großer Spaß!) und sich über die vielen herumstreifenden Katzen gefreut.

Danach sind wir mit der Tram 28 zurück zur Praça Luís de Camões, Praça do Comérciowo wir unsere ersten Pastéis Auf dem Heimwegde Nata gegessen haben, kleine Törtchen mit Puddingfüllung, die es hier überall gibt. Wir waren alle sehr angetan und es gab dann jeden Tag in Lissabon welche. Dann ging es immer bergab zum Cais do Sodré, wo wir uns endlich ein Dreitagesticket für alle öffentlichen Verkehrsmittel gekauft haben, was wir mal schon vor der Trambahnfahrt hätten tun sollen. (Später hat sich dann herausgestellt, dass wir ein falsches Ticket gekauft hatten, das nur in Zügen, nicht aber in Bus und Tram gültig ist – wir Reisprofis, wir. Nun müssen wir immer schwarz fahren in den Trambahnen und können deshalb nur mit den langen, modernen Bahnen fahren, weil das da keiner merkt.) Über die Uferpromenade Ribeira das Naus ging es immer am Tejo entlang zur Praça do Comércio, Lissabons größtem Platz mit riesigem Triumphbogen. Und von da aus haben wir es durch das Stadtviertel Baixa vorbei an Touri-Restaurants und Einkauftstraßen tatsächlich auch noch zu Fuß wieder nach Hause geschafft. Nur ein kleines Stück hat Martin Jonathan auf den Schultern getragen, sonst ist er alles selbst gelaufen. Dabei hilft sehr, dass es überall Mosaike gibt, auf denen man toll entlang balancieren kann. Nach dem Mittagessen auf dem Balkon gab es dann Pause für alle.

Und während der kam endlich auch die Sonne raus, die sich zuvor gut versteckt hatte. Grade am Tejo war es ziemlich windig und bewölkt gewesen und das Wetter ließ eher Nordseefeeling aufkommen. Aber nun viel Sonne und auch ein bisschen blauer Himmel – beste Voraussetzungen, um in Aussichtsviertel aufzubrechen. Blick vom Miradouro São Pedro de AlcântaraWir wollten mit der Standseilbahn Elevador da Glória ins höher gelegene Viertel Barrio Alto fahren, um da vom Aussichtspunkt Miradouro São Pedro de Alcântara den Blick auf die Stadt zu genießen und dann noch im Jardim do Principe Real einen unterirdischen Wasserspeicher anzuschauen. Soweit der Plan. Tatsächlich war der Elevador gesperrt, weil die Bahn gerade repariert wird, der Miradouro wird saniert und sah nicht ganz so romantisch aus, wie auf den Blick vom Miradouro da Graçavorher gesehenen Fotos, und der Wasserspeicher ist entgegen der Angaben im Reiseführer nur am Wochenende zugänglich. Trotzdem hatten wir einen schönen Nachmittag – Jonathan ist fleißig den steilen Berg hinaufgelaufen und fand die laufenden Reparaturen an der Standseilbahn mehr als spannend. Der Blick vom Aussichtspunkt war trotzdem schön und im Park gab es einen Spielplatz. Da es von da aus keine sinnvollen Verkehrsmittel zurück gab, sind wir wieder gelaufen – bergab findet Jonathan das sowieso wahnsinnig lustig. Zwischendurch hat er sich dabei noch die Nase blutig gehauen, weil er mit Kappe auf dem Kopf ein sich auf seiner Nasenhöhe befindliche Geländer nicht gesehen hat. Das sah böse aus und wir hatten schon Angst, dass die Nase gebrochen sein könnte. Der Kellner in dem Restaurant in Graça, in dem wir dann zum Abendessen waren, hat aber den Gegenbeweis erbracht, als er etwa eine Stunde später mit Jonathan herumgeblödelt hat und ihn dabei nicht gerade sanft an der Nase angefasst hat. Keine Beschwerden des Kindes, also wohl auch keine gebrochene Nase.

Soweit also der erste, sehr laufintensive Tag in Lissabon. Am nächsten Morgen ging es mit der Tram nach Belém, wo weitere Mosteiro de Jerónimostouristische Highlights warteten. Da waren wir dann schon nicht mehr ganz so früh dran wie am Vortag und mussten das mit langem Anstehen büßen. Bestimmt 40 Minuten standen wir vor dem Hieronymuskloster (Mosteiro de Jerónimos). Der Kreuzgang war dann aber auch wirklich wunderschön. Nach einem Mittagessen in einer der Touristenfallen vor Ort ging es weiter zum Torre de Belém. Der sieht schon toll aus, wie er da im Wasser steht. Zum Glück hatten wir die Tickets für den Turm schon im Kloster gekauft, sonst wären wir da nicht nur eine halbe Stunde angestanden, sondern noch viel länger. Die lassen nämlich immer nur 120 Menschen auf den Turm, kontrollieren den Zugang aber nicht etwa per Drehkreuz, sondern lassen erst wieder Leute rein, wenn quasi alle vorhergehenden wieder draußen sind. Das dauert natürlich Torre de Belémewig. Wie das hier wohl alles in der Hochsaison funktioniert, wenn man jetzt schon überall endlos ansteht? Meine Empfehlung wäre hier übrigens, das ganze umgekehrt zu machen – erst den Turm und dann das Kloster. Nachmittags war die Schlange da nämlich deutlich kürzer. Der Blick vom Turm war dann aber wirklich sehr schön. Hat uns aber einige Nerven gekostet, kindersicher war da nämlich nichts und wenn man Jonathan nicht fest am Kragen hatte, hätte er sich einige Male hinunterstürzen können. Nachdem unser Belém-Ausflug durch das ganze Anstehen deutlich länger gedauert hatte als geplant, waren wir erst so gegen halb 4 wieder zurück in der Ferienwohnung. Jonathan war so erledigt, dass er während der Tramfahrt auf meinem Schoß eingeschlafen ist. Also gab es noch ein bisschen Pause in der Wohnung und dann nach dem Abendessen nur noch einen kurzen Spaziergang durchs Viertel bis zum Miradouro Largo das Portas do Sol. Da hatten Leute Musik dabei und Jonathan hat fleißig mitgetanzt.

Elevador de Santa JustaAm nächsten Tag wollten wir vormittags nochmal durchs Barrio Alto. Also sind wir zum Aufzug Elevador de Santa Justa gelaufen und haben uns von dem hochfahren lassen. Dank einigermaßen früher Ankunftszeit um halb 10 ging es hier grade noch mit der Schlange und wir waren schon nach etwa 10 Minuten oben. Nach uns wurde die Schlange schlagartig länger. Immer bergab ging es dann über einen Spielplatzstopp und einen Bummel durch die Bummel durch die AlfamaMarkthalle zurück zur Cais do Sodré und von da aus mit der Tram nach Hause. Am Nachmittag sind wir nochmal zum Miradouro Largo das Portas do Sol gelaufen und von da aus durch die Alfama geschlendert. Da gibt es lauter enge Gassen, in denen gerade Stände für die den ganzen Juni über stattfindenden Festas de Lisboa aufgebaut wurden. Das ganze Viertel hat uns sehr gut gefallen. Am Abend waren wir dann noch in einem vegetarischen Lokal in Mouraria essen (im Bruta Flor). Da konnte man schön in der Abendsonne draußen sitzen und das Essen war sehr gut (wenn auch nicht unbedingt viel). Nachdem nebenan auch Essenstände für die Festas mit Musik aufgebaut waren, hat Jonathan dann auch an diesem Abend noch begeistert getanzt.

Und das war es dann auch schon mit Lissabon. Es hätte noch sehr viel mehr zu sehen gegeben (vor allem das moderne ehemalige Expo-Gelände Parque das Nações mit seinem berühmten Aquarium hätte ich gerne noch gesehen), aber für nur drei Tage und mit Kleinkind war ich hochzufrieden mit unserer Sightseeing-Ausbeute. Am nächsten Morgen haben wir gepackt und uns dann mittags mit dem Taxi zum Flughafen fahren lassen, um da unseren Mietwagen in Empfang zu nehmen. Mit dem ging es dann weiter nach Norden nach Porto.

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